Tristan bekommt seinen Lebensplatz

Unser zweieinhalbjähriger Esel Tristan hatte sich im SAMANA WASI gut eingelebt und erholte sich auch von den Strapazen seiner traurigen Vergan­genheit. Langsam wurde es nun jedoch Zeit, einen Lebensplatz für ihn zu finden, wo er mit jüngeren Eselgefährten herumtollen und vielleicht auch ver­gnügliche Aufgaben erfüllen konnte. Ich setzte mich also im August 2010 mit der SIGEF (Schweiz. Interessengemeinschaft für Eselfreunde) in Ver­bindung und meldete Tristan bei der Eselvermittlung an. Bereits kurze Zeit später kam ein Anruf von einem jüngeren Paar. Die beiden hatten bei der Vermittlerin eine 1 ½ jährige Eselstute gekauft und suchten für diese ein „Gspänli“; dabei wollten sie nun ei­nem Esel, der aus einer trauri­gen Situation gerettet worden war, eine Chance geben. Schon bald besuchten sie Tristan im SAMANA WASI, und es schien „Liebe auf den ersten Blick“ zu sein, und zwar von beiden Seiten. Tristan liess sich brav von den Leu­ten putzen; dann durfte er, in Begleitung seines Ponygefährten Thierry, auf einen allerersten Spaziergang. Ich ging mit und war selber erstaunt und erfreut, wie prob­lemlos, brav und munter die beiden eine volle Stunde lang durch Wald und Feld wan­derten.


Tristan hatte die Herzen seiner neuen Freunde im Sturm erobert. Der Kaufpreis wurde festgelegt und der Übergabetermin auf Oktober festgesetzt, damit den neuen Besitzern genügend Zeit blieb, den Eselstall, die Trockenplätze und die Weidezäune fertig zu erstellen. Die beiden Esel, Tristan und Isabelle, sollten am selben Tag und gleichzeitig in ihr neues Heim einziehen. So waren die Bedingungen für beide Tiere gleich: jedes verliess seine gewohnte Herde und traf auf seinen „Lebenspartner“. Es ist sehr wichtig, dass solche Umstände berücksichtigt werden! Damit erleichtert man den Tieren die doch grosse Lebensveränderung und schafft eine tragende Basis für ihre Zukunft.


Am 20. Oktober stieg Tristan problemlos in den Pferdeanhänger, und nach einer halben Stunde Fahrt traf er beim Aussteigen auf seine Isabelle, welche fast gleichzeitig aus dem Jura anreiste. Die neuen Besitzer nahmen ihre Esel mit riesiger Freude in Empfang und führten sie dann zu ihrem hübschen neuen Holzstall. Sie zeigten ihnen – und uns! – die ganze Anlage, mit sorgfältig eingezäunten Weiden, dem Hart- und dem Sandplatz, wo sich die Esel wälzen oder auch hinlegen können. Ich war beeindruckt und begeistert: wenn doch alle Esel ein solch schönes Zuhause hätten!


Bei Kaffee und Kuchen im Haus erzählte das Paar von seinen Plänen mit Tristan und Isabelle. Sie sollen zukünftig viel zusammen spazieren geführt werden, an den von der SIGEF organisierten Eselwanderungen teilnehmen und später auch, mit Basttaschen versehen, mehrtägige Ferientrekkings mit ihren Besitzern erleben.


Nach dem Zvieri gingen wir alle nochmals nachschauen wie sich Tristan und Isabelle verhielten. Sie waren bereits damit beschäftigt, alles zu „inspizieren“ und einander ge­genseitig zu beschnuppern; und wenn der eine Esel sich entfernte, folgte der andere sofort nach; ein gutes Zeichen für ihr zukünftiges  Zusammenleben.


 Anfangs Januar, an einem fast frühlingshaften Tag, besuchte ich meine neuen Freunde und ihre Esel erstmals. Fröhlich knabberten Isabelle und Tristan an den ausgelegten Haselzweigen. Wie vorauszusehen, waren auch die Holztüren und Abschrankungen schon wacker angenagt und nun mit U-Profilen versehen worden. Holz – die grosse Lei­denschaft aller Esel – zum ebenso grossen Leidwesen ihrer Besitzer!


Ich konnte mich nochmals versichern, dass Tristan einen optimalen Lebensplatz gefun­den hat. Glücklich und dankbar fuhr ich ins SAMANA WASI zu meinen Eseln, Pferden und Schafen zurück


Ruth Maurer, Januar 2011