Ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk für Laura

Ende Februar 2014 starb der Zwergesel Amun, 28jährig, an einer Darmverschlingung (wir berichteten). Dadurch hatte die Esel­stute Laura ihren letzten Eselge­fährten verloren. Wir Betreuer hofften, dass sie sich nun ver­mehrt dem Pony Thierry zuwenden würde. Leider geschah dies über mehrere Monate nicht. Laura vermisste ganz klar einen Esel.

Gerade als wir uns im Team über diese Situation unterhielten, kam ein Anruf von einer Frau, die einen neuen Platz für ihre Eselstute suchte: die Stute war 21, Laura 20 Jahre alt; das könnte eventuell gerade passen!

Laut unserem Tierschutzgesetz darf ein Esel ohnehin nicht allein gehalten werden; mit einer Übernahme der Eselin wäre diese Vorschrift also erfüllt.

Am 3. September war es soweit: die graue Zwergeseldame Jeeny zog ins SAMANA WASI ein. War das eine Aufregung für alle beteiligten Zwei- und Vierbeiner! Nachdem Jeeny vorher im Jura nur mit Ponys gelebt hatte, war ihr der Umgang mit einem Esel fremd. Auch die neue Umgebung, nach einer langen Fahrt hierher, verunsicherte sie sehr; sie wollte partout nicht in den Stall zu Laura und Thierry. Also durfte sie zuerst auf die satte Weide: der erste Punkt ging somit an sie…! Als etwas Ruhe eingekehrt und Ruth Maurer alleine im Betrieb war, gab es einen neuen „Gehorsams-Anlauf“. Mit viel Zureden, aber auch mit spielerischer Entschiedenheit, lockte Ruth Maurer die kleine Persönlichkeit von der Weide und rannte vor ihr her in den Stall – und siehe da: Jeeny trabte fröhlich hinter der „Leitstute“ her in ihre mit Heu und Futter bereitete Boxe.

Die erste Gewöhnungszeit verlief naturgemäss nicht ganz konfliktfrei. Laura versuchte zuerst ihre Stellung als Leittier zu verteidigen; da hatte sie sich allerdings getäuscht: Jeeny konterte Laura’s Drohgebärden sofort mit gezieltem Ausschlagen. Somit war klar: im SAMANA WASI gibt es keine Sieger und Besiegte, sondern man verträgt sich im Team. Das harmonisiert mittlerweile bestens. Es gab aber für Jeeny noch viel anderes zu lernen. Sie wollte die Hufe zum Ausräumen partout nicht aufhalten; beim Putzen hielt sie nicht still; beim Führen wollte sie die Führung übernehmen – da war Geduld von unserer Seite gefordert! Mittlerweile ist das alles „Schnee von gestern“: Jeeny steht allermeistens artig still bei der täglichen Pflege und lässt sich auch besser von da nach dort führen. Laura und sie sind beste Freundinnen geworden, und mit Thierry gibt es ohnehin nie Probleme.

Ziemlich vernachlässigt war leider der Zustand von Jeenys Hufen und Zähnen. Es wurde uns zwar gesagt (und das bemerkten wir ohnehin sofort selber), dass Jeeny Mühe hat beim Fressen, angeblich wegen einem Überbiss. Da Jeeny das Heu kaum und das Stroh gar nicht kauen konnte, liess Ruth Maurer den Tierarzt kommen. Es zeigte sich beim Untersuch, dass in Jeenys Maul die hintersten spitzen Backenzähne in den Kiefer hineingewachsen waren. Das ist für die Tiere unglaublich schmerzhaft. Es gab nur eines: sofort ein Beruhigungsmittel spritzen und danach die viel zu langen Zähne abschleifen. Nach einer Viertelstunde war die Arbeit getan. Jeeny hatte sich sehr ruhig verhalten: schon gegen die Spritze hatte sie sich nicht gewehrt, und die ganze Prozedur hatte sie stoisch über sich ergehen lassen. Seither frisst Jeeny wie ein Weltmeister, und wir müssen bereits aufpassen, dass sie nicht zu sehr Gewicht zulegt.

Die Hufe brauchen vorläufig noch alle vier Wochen die Pflege durch eine Huforthopädin, und es ist fraglich, ob sie je ganz gesund werden. Wir tun unser Bestes, denn Jeeny geniesst diese „Pedicure“ mitnichten!

Vor einer Woche erlebte Ruth Maurer ein Highlight: zum ersten Mal lieferten sich Laura und Jeeny ein „Fangis“-Duell. In unglaublichem Tempo jagten sie einander im Galopp und hakenschlagend über die Weide, bis beide völlig ausser Atem stehen blieben. Jetzt wussten wir: Jeeny ist definitiv im SAMANA WASI angekommen, und wir würden sie um keinen Preis mehr hergeben!

Ruth Maurer, Dezember 2014