Dramatische Ponyrettung im Tessin

Mitte März erreichte uns ein Hilferuf der „Associazione Amici Animali Ticino“, dass auf einem Bauernhof im Tessin eine Herde völlig verwahrloster Minishetty-Ponys entdeckt worden sei. Der Vorbesitzer, ein kran­ker Bauer, war gestorben, und ein Nachbar, der die Ponys hätte betreuen sollen, kümmerte sich nicht um die Tiere. Der herbeigerufene Veterinär stellte fest, dass von den neun Shettys sechs Stuten waren und drei Hengstlein. Da alle im gleichen Pferch untergebracht waren, lag es nahe, dass die Stuten wohl zum Teil schon wieder trächtig waren. Die Tiere, darunter ein sehr schwaches Hengstfohlen, waren alle in einem erbärmlichen Zustand: sie hatten „Schnabelhufe“, waren voller Parasiten und beinmager, das Haarkleid verkrustet oder abgescheuert und die Bäuche rund aufge­bläht von der Verwurmung. Der Tierarzt holte einen Hufschmied herbei, und zusammen nahmen sie die nötige Erstversorgung vor. Dann kam das grosse Problem: wer nimmt sich dieser armen Tiere an, wer nimmt sie auf? Natürlich setzte sich Ruth Maurer gleich mit Corina und Andi Brunner in Valendas in Verbindung. Die beiden erklärten sich sofort bereit, Platz zu machen für die sechs Stütlein. Die drei Hengstlein durften vorerst zu einer grossherzigen Frau, bis sie soweit aufgepäppelt sein würden, dass man sie defini­tiv platzieren könnte. Nun galt es für Ruth Maurer noch, wenigstens für drei der sechs Stuten die Einwilligung des Stiftungsrates von SAMANA WASI einzuholen. Ruth Maurer erreichte Frau Sarah Dreyfus und Herrn Reto Trees und bekam das „rettende OK“. Aber nun blieben immer noch drei! Wir waren uns einig, dass wir die sechs Tiere nicht tren­nen sollten. Brunners waren bereit, eines davon selber zu finanzieren; Sarah Dreyfus übernahm privat die Pensionskosten für ein halbes und Ruth Maurer schliesslich noch die Kosten für die restlichen anderthalb Ponys. Als alle Tiere glücklich „verteilt“ waren und der Transport in deren neue Heimat organisiert war, kam der Schock: das Kon­kursamt, der zuständige Kantonstierarzt und die Gemeindeverwaltung betrachteten die Tiere als Teil der Konkursmasse des verstorbenen (und wohl verschuldeten) Bauern und wollte die Freigabe der Ponys verhindern. Da wieherte wieder einmal der Amtsschim­mel! Als ob man mit Tieren in solch desolater Verfassung noch Geld machen könnte! Die Empörung und Enttäuschung aller Helfer/innen war riesig. Nun wurde vom erstbe­handelnden Arzt, der Associazione und einigen beherzten Leuten (welche extra und so­fort aus der Nordschweiz in den Tessin gereist waren) Druck gemacht, um die Ponys freizubekommen. Das war an einem Freitag – am Samstag darauf, um 02.00 Uhr in der Nacht auf Sonntag hatten die letzten Tiere ihr neues Zuhause erreicht – erschöpft (wie die Zweibeiner), aber gerettet.

Mitte April reiste Ruth Maurer nach Valendas, um sich alle Tiere anzuschauen. Sie hatten sich bereits gut eingewöhnt, aber zum Teil waren sie noch etwas scheu, und unter dem dicken, stumpfen Fell spürte man die Rippen unter der Haut. Es dauert eine Weile, bis solch abgemagerte Tiere wieder auf­gefüttert sind; aber die Hufe waren dank sorgsamer Pflege einer freiwilligen Helferin schon viel besser.

Und jetzt: wie sollten die Damen denn heissen? Corina und Andi tauften ihr eigenes Pony „Ronja“. Sarah Dreyfus wünschte sich eine „Hope“. Die drei SAMANA WASI-Ponys wurden auf die Namen „Etoile“, „Trixli“ (erst ca. halbjährig und evtl. ein Fohlen von „Etoile“) und „Soleil“ getauft. Das hellbraun-weisse Stütlein von Ruth Maurer behielt seinen Übernamen „Geissli“, da es nicht nur so aussieht, sondern sich mit seinen mun­teren Kapriolen auch so benimmt wie ein Geissli.

So weit, so gut – es war alles in Minne geregelt: bis der kleine „Soleil“ sich plötzlich zu benehmen begann wie ein Hengstli. Nach einer gründlicheren Untersuchung durch den Pferdespezialisten wurde dann festgestellt, dass Soleil tatsächlich ein Hengst ist, nur sah man das im dichten Fell nicht, denn die Hoden lagen innen, in der Leistengegend. Soleil musste also (mittels eines grösseren Eingriffes) kastriert werden.

Wir vereinbarten, dass Soleil, sobald er genügend bei Kräften war, in die nächstgele­gene Klinik (am Bodensee) gebracht und operiert werden sollte. Corina und Andi Brun­ner transportierten ihn am 16. Mai dorthin und nahmen Geissli mit, damit er nicht ganz alleine war. Und oh Wunder, in der Klinik stellte man fest, dass die beiden Hoden inzwi­schen von selber noch hinuntergerutscht waren und somit eine ganz normale Kastration vorgenommen werden konnte.

Schon am nächsten Tag durften die beiden Ponys wieder heim nach Valendas in ihre Herde.

Da kann man nur dankbar sagen: Ende gut, alles gut!

Ruth Maurer, Mai 2011