Abschied von Amun

Am 12. Juni 2011 starb Artax, der vier Jahre ältere Bruder von Amun. Nach des­sen Verlust trauerte Amun drei Monate lang so sehr, dass wir nicht wussten, ob uns auch Amun noch verlas­sen würde (wir berichteten).

Danach konnte sich Amun jedoch langsam auffangen. Er begann sich der Eselin Laura anzunähern und suchte vermehrt auch den Kontakt zum Pony Thierry. Die Drei grasten nun friedlich gemeinsam auf den Weiden oder spielten in rasantem Galopp „Fangis“.

Amun blühte wieder auf. Dann, fast drei Jahre später kam der Einbruch. Als Ruth Maurer wie gewohnt gegen Abend die Tiere von der Weide holte, musste sie fest­stellen, dass Amun nichts mehr fressen wollte und Anzeichen einer Kolik zeigte. Es war Freitag – also wieder Wochenend-Beginn. Um keine Zeit zu verlieren, gab Ruth Maurer sofort Homöopathie und rief gleichzeitig den Tierarzt. Dieser stellte eine Stoffwechselstörung im Magen-Darm-Trakt mit beginnender Kolik fest. Er spritzte die gängigen Schmerz- und Entkrampfungsmittel. Leider wirkten die Mittel diesmal nicht lange. Amun bekam wieder Krämpfe und konnte keinen Mist mehr absetzen. Gegen 22.30 Uhr kam der Tierarzt noch einmal. Er war sehr besorgt, spritze noch­mals und riet, Amun ein wenig spazieren zu führen, was Ruth Maurer daraufhin auch tat. Amun wurde danach ruhig, mistete aber weiterhin nicht.

Am Samstagmorgen dasselbe Bild: ein sehr ruhiger Esel, der aber weder frass, noch trank, noch mistete. Nach einem Gespräch mit dem Tierarzt wurde beschlossen, zuzuwarten. Amun spazierte mit Laura und Thierry auf den Vorplätzen herum, zeigte keine Schmerzen und schien zufrieden.

Das blieb so unverändert bis weit in den Sonntag hinein. Ruth Maurer machte stän­dig Kontrollrundgänge, sie traute dieser anscheinenden Ruhe nicht. Und so folgte dann am späten Sonntagnachmittag, dem 23. Februar 2014 auch der Sturm. Amun galoppierte plötzlich wie irr um die grosse Scheune, wo er am Wiesenbord hinfiel und nicht mehr auf die Beine kam. Ruth Maurer versuchte ihm dabei zu helfen, aber es gelang nicht mehr. Also rief sie wieder den Tierarzt; bis zu seinem Eintreffen blieb Ruth Maurer beim krampfenden Amun, redete ihm beruhigend zu und streichelte ihn immer wieder. Beide wussten: dies ist der Abschied.

Nach einer Viertelstunde war der Tierarzt auf dem Hof: die Lage war hoffnungslos.

Ruth Maurer kniete neben Amun, während der Tierarzt die erlösende Spritz ansetzte und Amun seinem Bruder Artax in die „happy lands“ nachfolgte.

Zurück blieben eine völlig verstörte Eselin Laura und eine sehr traurige Ruth Maurer – und als ruhender Pol das sanfte Pony Thierry – alle Drei wissend, dass wir alle, ob Mensch oder Tier, diesen Weg gehen werden: nach Hause.

Ruth Maurer, Juli 2014